Warum Scrum nicht funktioniert!
Ich bin ein großer Fan von Scrum. Das erstmal vorne weg. Ich glaube es handelt sich bei diesem Rahmenmodell um eines der besten Vorgehensweisen, mit der man Software entwickeln kann. Ich war viele Jahre so etwas wie ein Evangelist, wenn es um agile Methodiken geht. Ich habe viele Kämpfe ausgetragen und viele davon gewonnen. Trotzdem setze ich mich heute hin und versuche zu beschreiben, warum ich glaube, dass Scrum nicht funktioniert.
Scrum ist einfach. Keine Frage. Es gibt nur eine Handvoll Meetings, Artefakte und Rollen. Alles kein Hexenwerk. Um alle Regeln aufzuschreiben, die es in dieser agilen Welt gibt, benötigt man nicht mehr als eine DIN-A4-Seite. Das können nicht viele Modelle von sich behaupten. Das ist aber auch genau das Problem. Man hat viel zu schnell den Eindruck, dass man Scrum verstanden hat. Klar kann ich es auswendig lernen. Vier Meetings kann sich auch noch mein Religionslehrer aus der siebten Klasse merken. Es sind sich also viele sicher, dass sie Scrum vollständig verstanden haben, weil sie alles, was offensichtlich ist kennen und vielleicht sogar beherrschen. Das Problem an Scrum ist aber, dass so viel unter der Oberfläche passiert, was mit Gruppendynamik und Psychologie zu tun hat. Um diese Dinge zu verstehen, muss man viel mehr erreichen, als die Arten der Artefakte auswendig zu kennen.
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Ich arbeite jetzt seit ungefähr 5 Jahren nach Scrum. Ich war mir die ersten zwei Jahre sicher, dass ich das System verstehe. Trotzdem ist es bei uns immer wieder zu Problemen gekommen, die wir mit unserem agilen Wissen nicht lösen konnten. Jetzt, nach fünf Jahren in der Scrum-Welt weiß ich, dass ich damals einfach nicht genug über die Psychologie dahinter verstanden hatte. So langsam bin ich aber an einem Punkt, an dem ich erklären kann, warum es funktioniert. Ich glaube ab diesem Zeitpunkt kann man sich hinsetzen und erfolgreich nach dieser Methodik arbeiten. Vorher ist es schwer. Viel zu oft wird man Scrum dafür verantwortlich machen, wenn man nicht weiter kommt.
Wer also fünf Jahre und viele Diskussionen durchstehen kann, der wird in dieser Welt furchtbar glücklich werden. Ich war von Anfang an recht begeistert, was es für mich einfach gemacht hat am Ball zu bleiben. Im Nachhinein bin ich auch froh.
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Fassen wir nochmal zusammen. Scrum wirkt einfach, ist es aber nicht. Genau das ist das Problem, mit dem man sich rumschlagen muss und vielleicht ist es auch der Grund, warum Scrum irgendwann wieder von der Bildfläche verschwinden wird.
Hallo Nils, da kann ich dich sehr gut verstehen. Mir kommt das alles auch sehr bekannt vor 🙂 Hier meine Gedanken dazu:
Agil zu sein im allgemeinen Sinne bedeutet “aktiv und beweglich” so wie “geistig und körperlich gewandt” zu sein. Steht zumindest in diversen Enzyklopädien im Internet. Last uns mal diese Definition auf ein Unternehmen übertragen! Hier kommen gleich paar Fragen auf und zwar: Wann ist ein Unternehmen agil und an was kann man das fest machen? Kann man Agilität in ein Unternehmen erschaffen und was hat Scrum damit zu tun? Glaubt es mir, das kann man an ganz einfachen und grundlegenden Dingen fest stellen!
Es ist sehr lebhaft zu beobachten wie schnell Unternehmen auf Scrum umstellen. In den meisten Fällen ist das nicht so schnell möglich, da das richtige praktizieren vom Scrum ein langwieriger Prozess ist. Scrum ist ein Rahmenwerk (eher eine Technik) für Unternehmen die bereits eine agile Kultur haben.
Eine Kultur ist vielmehr eine Einstellung. Eine agile Einstellung zu haben, bedeutet aktiv Dinge zu entwickeln mit hohem qualitativen Anspruch. Dabei bitte nicht vergessen, dass man in einen Team arbeitet was von realen Menschen angetrieben wird. Menschen brauchen Wertschätzung, Motivation, möchten erhört werden und freuen sich sehr wenn ihnen einer unter den Armen greift wenn sie ein Fehler gemacht haben oder Hilfe brauchen. Das ist typisch menschlich. Liebe Unternehmen, man sollte sich erst diese Kultur aneignen, bevor man sich den Methodiken und Praktiken von Scrum zuwendet. Die sind schnell gelernt – aber ohne den Wandel in den Köpfen wird es dauerhaft scheitern.
Es ist gar nicht so lange her, dass auf Scrumkritik lapidar mit „dann machst dus nicht richtig“ geantwortet wurde.
„Man müsse die Menschen nur richtig erziehen…“ ein Zitat, dass für mich immer schon klang als ob es der Kim Dynastie entliehen wurde.
SCRUM ist weder das maß der Dinge noch die Lösung aller Probleme, aber wenn es reflektiert zum Einsatz kommt, dann kann und wird es in der Regel dazu führen dass die Probleme transparenter werden.
Es ist eine gute Basis, bzw. ein gutes Framework, aber zu einem erfolgreichen Projektmanagement gehört mit wachsender Projektgröße einfach noch etwas mehr dazu.
Mit einem Regelwerk, dass locker auf eine DINA4 Seite passt kann kaum jeden Aspekt jeder Projektkonstelation behandeln. Den Kern dessen was die Projekte in der Regel verbindet schon eher.
Scrum ist IMHO eine gute Basis, Basis im Sinne eines Fundamentes, für etwas größeres und Projekt / Team / Umfeld / Firmenspezifisches.
Hi Nils,
diese Erfahrung kann ich teilen, da sie sich sehr gut mit meinen Erfahrungen deckt. Egal welches Vorgehensmodell man verwendet der Prozess ist das eine, wie er wirklich gelebt wird das andere.
Ob Scrum deshalb gleich von der Bildfläche verschwinden wird denke ich jedoch nicht – wahrscheinlich wird es sich weiterentwickeln.
In Bezug auf den Artikel hätte ich mir ein kleines Praktisches Beispiel gewünscht, weil so ist er schon sehr Meta. Trotzdem wieder schön zu lesen und einige gute Denkanstösse sind dabei.