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Test is dead – Das Fundament.

Dieser Artikel ist der erste einer Reihe mit drei Teilen. Inspiriert wurde dieser von einem Vortrag von Alberto Savoia auf der GTAC 2011 mit dem Titel „Test is dead“. Im ersten Teil werde ich versuchen wiederzugeben, was Alberto mit dieser doch recht provokanten Aussage versucht rüberzubringen. Im zweiten Teil ziehe ich meine Schlüsse und im dritten versuche ich ein wenig technisch zu denken.

2011. Alberto Savoia kommt als „der Tod“ verkleidet auf die Bühne. Wir Tester werden alle sterben. Zumindest wird man uns in Zukunft nicht mehr brauchen. Glaubt ihr nicht? Es wird sicher noch ein paar Jahre dauern, aber so unrecht hat der Google-Mitarbeiter dort vorne auf der Bühne nicht. Aber fangen wir von vorne an.

Als Qualitätssicherung kümmert man sich darum, dass ein Produkt möglichst wenige technischen und funktionale Bugs hat. Denn wie wir alle wissen, ist es das, was ein gutes Produkt ausmacht. Fehlerfreiheit. Je weniger Fehler ein Produkt hat, desto größer ist auch die Chance, dass es ein Erfolg auf dem Markt wird. Ist ja erstmal nicht falsch.

Aber! Jetzt kommt natürlich das große „Aber“. Wir schmeißen sehr viele Produkte auf dem Markt und kaum eines davon ist ein Erfolg. Vier von fünf Start-Ups sind so schnell wieder verschwunden, wie sie auch erschienen sind. Stop-Ups sozusagen (hab ich grad erfunden). Wenn die Idee eines Produktes nicht sonderlich gut ist, dann nutzt auch die die Fehlerfreiheit nichts. So ist es eben. Savoia spricht dabei von Idea Bugs. Also Fehler in der Idee, die ein Produkt erfolglos machen. Es ist viel wichtiger diese zu bekämpfen, als die funktionalen.

Wir müssen also erstmal das richtige Produkt bauen, bevor wir es richtig bauen.

Building the right it or building it right.

Aber wie findet man heraus, ob eine Idee ein erfolg werden könnte. Klassischerweise nacht man dies über eine Martkanalyse oder man fragt einfach Freunde und Bekannte. Solange das Produkt nur ein Gedanken ist, geht das sicherlich und es ist auch eine praktische und einfache Möglichkeit. Aber im „Gedankenland“ kann jede Idee ein Erfolg sein und tolle Ideen können als Schwachsinn abgetan werden. Wer hätte dem Gründer von Twitter gesagt, dass das eine Milliarden-Dollar-Idee ist? Ich nicht. Und andersrum ist es noch einfacher Beispiele zu finden. Jeder kennt Start-Ups, die einfach durch die Decke gehen müssen, aber es dann doch nicht tun.

Aber was kann man machen, wenn nicht eine Umfrage? Alberto kam zu dem Schluss, dass man einen Pretotype (oder auch Pretendotyoe) bauen sollte. Ein System, dass aussieht, als ob es fertig wäre, es aber nicht ist. Die Idee ist nicht neu. IBM hat schon vor vielen Jahren so etwas ausprobiert. Spracherkennung war damals das große Thema. Hat man die Leute gefragt, ob ein solches Tool wertvoll wäre, bestätigte dies der Großteil. Ist ja auch ein toller Gedanken. Ins Mikro sprechen und der Computer tippt. Heutzutage sind wir da natürlich schlauer. Stimmt’s Siri? IBM wusste aber auch, dass die Umsetzung viel kosten würde und hat einen Pretotype gebaut. Man hat den Kunden gesagt, dass das Werkzeug fertig ist und dass sie es nützen können. In Wahrheit haben sie in das Mikro gesprochen, an dem am anderen Ende eine Sekretärin saß, die einfach mitgetippt hat. Fehlerfrei. Ein besseres Tool hätte es also auch nach Jahren der Forschung nicht geben können. Jetzt kam die Überraschung für IBM. Die Leute haben es nicht gemocht. Vertrauliche Daten konnte man so nicht aufschreiben und im Raum mit ganz vielen anderen zu sprechen ist sicherlich auch störend. Kurz und knapp: nach dem Ausprobieren, wollte es niemand mehr haben. Der Pretotype war ein voller Erfolg und hat wahrscheinlich Millionen gespart.

Jetzt wieder der Schritt zurück zum Testen. Wenn wir uns nicht sicher sind, dass ein Produkt ein Erfolg ist, dann macht es keinen Sinn es richtig zu bauen. Das gilt sowohl für Qualität, als auch für Architektur und Co. Testing ist also in diesem Fall der falsche Ansatz.Fertig.

Im zweiten Teil dieser Reihe werde ich beschreiben, was wir uns aus diesem Ansatz abgeleitet haben und wie man mit dem Thema umgehen kann.

Wen das Thema interessiert, der sollte sich den Vortrag anschauen. Es gibt jede Menge Schmunzler in den 56 Minuten.

Alberto Savoia ist übrigens bei Google angestellt und kümmert sich dort um das Thema Tests. Er weiß also, wovon er redet,

Über den Autor

Nils Langner

Nils Langner ist der Gründer von "the web hates me" und auch der Hauptautor. Im wahren Leben leitet er das Qualitätsmanagementteam im Gruner+Jahr-Digitalbereich und ist somit für Seiten wie stern.de, eltern.de und gala.de aus Qualitätssicht verantwortlich. Nils schreibt seit den Anfängen von phphatesme, welches er ebenfalls gegründet hat, nicht nur für diverse Blogs, sondern auch für Fachmagazine, wie das PHP Magazin, die t3n, die c't oder die iX. Nebenbei ist er noch ein gern gesehener Sprecher auf Konferenzen. Herr Langner schreibt die Texte über sich gerne in der dritten Form.
Kommentare

8 Comments

  1. Ich empfinde den Gedanken als sehr interessant. Denn wie du schon sagst, er hat nicht unrecht! Auch dein Beispiel klingt einleuchtend. Dennoch glaube ich, dass sich dies in der Praxis nicht immer so leicht umsetzten lässt. Andererseits macht man genau das bereits schon – Wenn auch in einem etwas anderem Kontext, mit einer anderen Qualität. Ich denke da generell an Prototyping (Paper-Protyping, Wireframes, ..) welche die Visualisierung nur andeuten, aber Funktional quasi schon auf können. Hier wird aber aktuell eben die Funktion und nicht die Idee getestet. Die Frage die sich mir also stellt, muss der Prototyp fertig aussehen, damit man die Idee gut testen kann?!

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    • Ich glaube, dass die Ergebnisse umso besser werden, je näher du am echten Produkt dran bist. Jetzt kann man da auch wieder Kosten und Nutzen abwägen. Ab wann es sich nicht mehr lohnt, besser zu werden, sollte ja auch der Geldbeutel mitentscheiden.

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  2. Sehr interessanter Gedanke! Vor allem für diejenigen, die sich noch nie groß mit Testen anfreunden konnten 🙂 Stimmt natürlich. Wenn die Idee Mist ist, bringt auch der beste Vertrieb nichts.

    Cheers,
    Klaus

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  3. Sehr interessanter Gedanke Pretotypes zu erstellen. Bei dem Spracherkennungsprogramm ist das auch relativ einfach möglich , weil es eine sehr einfache Funktionalität ist: Mache Sprache zu Text. Bei vielen Webapplikationen sehe ich aber Schwierigkeiten einen solchen Pretotype zu bauen, weil Webapplikationen oft 100erte Usecases abdecken müssen und dadurch ihren USP bilden, dass Bekanntes anders kombiniert wird. Dafür kann man sich aber überlegen zum Beispiel fertige Module zu nutzen auch wenn sie nur Basisfunktionalität bieten und die jeweilige Anforderung nur zum Teil erfüllen. Dadurch kann man auch Herausfinden ob die Applikation funktioniert oder nicht, muss nicht viel Ausgeben um zu testen und hat trotzdem einen Großteil der Funktionalität. Später kann man sich dann um NFRs kümmern… Ich hätte gerne den Twitterpretotype gesehen und die Heerscharen von TweetbearbeiterInnen…. 🙂

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